Das 18. „Mundartfestival“ des Schwäbischen Albvereins in der Stuttgarter Liederhalle fand vor erneut großer Fangemeinde statt. Mehr als 200 Zuschauer waren in den Silchersaal gekommen, um sich an schwäbischer Sprachkunst zu erfreuen. Sogar ein Fernsehteam (Regio-TV) war mit dabei und zeichnete die Darbietungen auf. Durch den Abend führte Schriftleiter Erwin Abler.
Leider konnte der einstige Initiator des Festivals, Helmut Pfitzer, aufgrund einer Erkrankung nicht mit dabei sein. So gab der Musiker und Künstler Reinhold Hittinger, Pfitzers Partner beim „Duo Aurezwicker“, alleine sein Bestes.
Die beiden Kabarettistinnen Helga Becker und Sabine Essinger übertrumpften sich gegenseitig im Stimmen verstellen, Verkleiden, Sprüche klopfen und Klischees kultivieren. Es gab schwarzen Humor vom Feinsten.
Typenkabarett mit Sabine Essinger
Zuerst trat Sabine Essinger auf die Bühne und zwar mit Dudelsack und im Marschschritt. Im Nu hatte sie ihr Outfit verändert und war plötzlich als schwäbische Stewardess im Flugzeug, „Schwoba Airlines“ zugegen. Sparsam wie Schwaben offenbar sind, gibt es bei dieser Fluglinie keine teuren Sicherheitschecks, deshalb: „Waffen bitte aus dem Fenster werfen“. Natürlich sind auch keine Schwimmwesten unter den Sitzen, wäre auch sinnlos bei Inlandsflügen.Toiletten, wozu? Getränke, kein Thema. Doch es gibt nicht einmal einen Piloten: „Ist zufällig ein Pilot an Bord?“, trällerte Essinger. Fazit: Nichtfliegen ist sowieso am besten, da spart man am meisten. Das Thema Askese kam nach der Sparsamkeit an die Reihe: „Leidenschaft durch Leiden, „des isch da Schwob“. Es folgte eine coole Performance, wobei Essinger einen fiktiven Duschkopf mit „saukaltem Wasser“ auf verschiedene Körperteile richtete und dabei ins Jodeln kam. Auch diese gesangliche Ausdrucksform beherrscht Essinger vortrefflich.
Doch nicht nur das. Die Stimmkünstlerin ist unschlagbar gut, wenn sie zum Baby wird. Altkluge Kommentare und eindeutige Babygluckser kommen aus ihrem Laufstall, wenn sie mit Häubchen auf dem Kopf plappert und das Publikum zum Kringeln bringt. Ohnehin kann sie alle Familienmitglieder der von ihr kreierten Familie Fleischle so perfekt parodieren, dass diese fast zu guten Bekannten der Zuschauer werden. Essinger zeigte zudem ihr großes Talent, als sie Edith Piaf coverte und statt „Je ne regrette riens“ aus einer Schwäbischen Speisekarte vorsang.
Frau Nägele alias Helga Becker
Auch Helga Becker, die zweite Mundartkünstlerin an diesem Abend, zog die Register des schrägen Geschmacks und präsentierte sich in allen Tonlagen. Als Frau Nägele, schicke Landpomeranze, versuchte sie nach Stuttgart zu reisen und traf dabei auf unzählige Stolpersteine, zum Beispiel der hochkomplexe Fahrkartenautomat, die teure Fahrkarte, das Streckennetz, undurchschaubar für sie. Das größte Problem aber offenbarte sich in Stuttgart selbst: „Hättet ihr net bessa aufbassa kenna, isch koi Bahnhof mer da“, beschwerte sich Frau Nägele.
Ohnehin seien viele Menschen sehr vergesslich, vor allem junge Eltern. Die müssten sich die Namen ihrer Kinder schon auf die Heckscheiben der Autos pinnen. Es könnte aber auch an deren unaussprechlichen Namen liegen, wie „Schantal“ oder „Kefin“.
Becker kann nicht nur schauspielern, sondern auch singen, rappen und tanzen: Die Sebastian-Blau-Interpretin trug ein Gedicht des bekannten Mundartlyrikers als Rap vor, wobei das Publikum den Rhythmus dazu klopfte. Die Darbietung war auf höchstem Niveau und die Zuschauer waren begeistert. Ob Hochzeitstag (ein Kuss pro Jahr), Klimakterium (Jacke an, Jacke aus, Fuß rein, Fuß raus) oder die Schwäbin nach einer Liebesnacht (kehret die Mebel elle Ine)…singend, tanzend, luftig oder herb: Becker brachte schwäbische Eigenheiten auf humorvolle Weise auf den Punkt.
Fetzig, romantisch, witzig: Liedermacher Reinhold Hittinger
Zwischen den beiden weiblichen Stimmungskanonen offerierte Liedermacher Reinhold Hittinger ein umfangreiches Repertoire aus fröhlichen Liedern mit lustigen Refrains, wie „Keine Spätzle heit“ oder „Lass den Schwob ein Sößlein sehen“. Er erzählte dazwischen immer wieder Schwabenwitze, wie z.B. den vom Schwaben, der zum Ostfriesen werden wollte, aber nachdem ihm dazu nicht nur 75 Prozent, sondern 90 Prozent Hirnmasse entfernt worden waren, wurde er zum Bayern und nachdem 100 Prozent Hirn weg waren, verwandelte er sich schließlich in Donald Trump.
Am Ende der Veranstaltung kehrten alle drei Mundartkünstler noch einmal auf die Bühne und sangen zusammen „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“. Das Publikum begleitete sie dabei unter großem Beifall.
Link zum Regio TV Beitrag (Video): https://www.youtube.com/watch?v=MHyPT_rPHBQ
Das Thema „Mundart“ hat beim Schwäbischen Albverein eine langjährige Tradition. Der Mundartkünstler Helmut Pfitzer hob im Jahr 2000 die Idee aus der Taufe, regelmäßige Kleinkunstveranstaltungen mit mundartbezogener Musik und Literatur zu etablieren. Mittlerweile gibt es im Vereinsgebiet fast 30 Mundartbühnen, die unterhaltsame Kleinkunst auf hohem Niveau anbieten. Das Mundartfestival findet einmal im Jahr statt.